Helene Jarmer: Eine gehörlose Politikerin, die Barrieren überwindet

Helene Jarmer: Eine gehörlose Politikerin, die Barrieren überwindet

In der Welt der Politik gibt es Menschen, deren Stimmen lauter sind als Worte. Helene Jarmer ist eine solche Persönlichkeit. Als gehörlose Politikerin hat sie nicht nur Hindernisse überwunden, sondern auch eine starke Stimme für die Rechte und Belange von Gehörlosen und Schwerhörigen in Österreich und darüber hinaus etabliert. Ihre Geschichte ist eine inspirierende Erinnerung daran, dass der Wille und das Engagement einer einzelnen Person einen bedeutenden Unterschied in der Welt bewirken können. In diesem Blogartikel möchten wir einen Blick auf ihr Leben und ihr Wirken werfen. Helene Jarmer hatte viele Hürden zu überwinden, um ihre Ziele und Träume zu verwirklichen. Doch sie gab niemals auf, sondern arbeitete hart für ihren Erfolg.

Der Weg in die Stille

Ein Verkehrsunfall veränderte das Leben von Helene Jarmer drastisch und führte sie in die Welt der Stille. An einer unübersichtlichen Kreuzung kollidierten zwei Autos, wobei eines von ihnen auf den Gehsteig geschleudert wurde, wo Helenes Mutter gerade ihre zweijährige Tochter im Kinderwagen spazieren schob. Bei diesem tragischen Vorfall verlor das Mädchen ihr Gehör.

Mit Trickserei für eine bessere Schulbildung

Obwohl Helene Jarmer gehörlos ist, schaffte sie die Aufnahme in die Schwerhörigenschule. Ihre Eltern wollten, dass ihre Tochter in einer Schwerhörigenschule unterrichtet wird, da das Bildungsniveau in den Gehörlosenschulen für sie zu wünschen übrig ließ.

Helene Jarmer berichtet, wie ihre Mutter sie bei der Schulaufnahme coachte: „Wenn jemand zu dir spricht, tust du so, als hättest du es verstanden, nickst mit dem Kopf. Du musst irgendetwas sagen, damit sie dich aufnehmen, damit sie glauben, dass du schwerhörig bist und nicht gehörlos.'“

Jarmer schaffte es, den Schuldirektor zu überlisten, wurde jedoch erwischt, als ein Lehrer bei Durchsagen ein Blatt Papier vor den Mund hielt, und sie dadurch nicht mehr von den Lippen ablesen konnte. Ihre Worte dazu: „Meine Eltern haben gekämpft, damit ich bleiben darf.“ Dennoch stellte der Direktor eine Bedingung: Nur wenn ihre Tochter Einser und Zweier schreibt, darf sie auf der Schule bleiben.

Daraufhin lernte sie Tag und Nacht, bekam zahllose Nachhilfestunden und hatte kaum Freizeit. „Aber Tatsache ist: Nur dank meiner Eltern habe ich es an die Uni geschafft und meinen Abschluss gemacht“, betont Helene Jarmer.

Exkurs: Unterschied Schwerhörigenschule vs. Gehörlosenschule

Der Hauptunterschied zwischen einer Schwerhörigenschule und einer Gehörlosenschule liegt in den spezifischen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler, die sie ansprechen.

Schwerhörigenschule

Eine Schwerhörigenschule ist eine Bildungseinrichtung, die sich auf die Bedürfnisse von Kindern mit unterschiedlichen Graden von Hörverlust konzentriert, die jedoch noch über ausreichende Resthörigkeit verfügen, um von auditiven Informationen zu profitieren.

In Schwerhörigenschulen wird in der Regel eine verstärkte Nutzung von Hörgeräten und anderen technologischen Hilfsmitteln angestrebt, um den Schülern den Zugang zur gesprochenen Sprache zu erleichtern.

Die Unterrichtsmethoden und -inhalte sind oft darauf ausgerichtet, die Verwendung der restlichen Hörkapazitäten zu fördern und die Sprachentwicklung zu unterstützen.

Es gibt eine Kombination aus auditiven und visuellen Unterrichtstechniken, je nach den individuellen Bedürfnissen der Schüler.

Gehörlosenschule

Eine Gehörlosenschule ist speziell auf die Bedürfnisse gehörloser Schülerinnen und Schüler zugeschnitten, die keinen Zugang zur gesprochenen Sprache durch Hörvermögen haben.

In Gehörlosenschulen wird Gebärdensprache oft als primäres Kommunikationsmittel verwendet, wobei der Unterricht und die gesamte schulische Umgebung auf die Förderung der Gebärdensprache und der visuellen Kommunikation ausgerichtet sind.

Die Lehrkräfte und Mitarbeiter sind oft gebärdensprachkompetent und speziell geschult, um die Bedürfnisse gehörloser Schüler zu verstehen und effektiv zu unterrichten.

Zusätzlich zum akademischen Lehrplan können in Gehörlosenschulen auch Programme zur Förderung der kulturellen Identität und Gemeinschaft gehörloser Menschen angeboten werden.

In beiden Schularten steht die Förderung der individuellen Entwicklung und Bildung der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund, wobei jedoch unterschiedliche Ansätze und Methoden verwendet werden, um den jeweiligen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Studienzeit

Vor dem Universitätsstudium musste Helene Jarmer jedoch fünf Jahre lang eine HTL für Maschinenbau durchstehen. „Ich habe nichts verstanden. Es war ein Kasperltheater“, erinnert sie sich heute. Obwohl sie sich teilweise mit ihren Mitschülern verständigen konnte, da sie sich kannten, hatte sie Schwierigkeiten mit den Lehrern, die jedes Jahr wechselten. „Stellen Sie sich vor, Sie kommen in einen Raum und alle sprechen ohne Stimme. Und am nächsten Tag müssen Sie eine Prüfung schreiben.“

Dennoch wollte sie unbedingt die Matura machen. Also hieß es für sie „nach der Schule noch mehr Schule und noch mehr Schule und dann noch mehr Schule“. In den Nachhilfestunden schrieb sie ihre Fragen auf ein Blatt Papier, und die Lehrer, meist TU-Studenten, antworteten schriftlich. So kämpfte sich Jarmer als gehörlose Frau durch eine Schule voller Männer. Die 45-Jährige lächelt, denn die Matura ist ihr größter Erfolg, sagt sie. Das Studium danach war „nicht so stressig wie die Schule. Hier durfte ich ja auch fehlen und zu Hause lernen.“

Allerdings stieß sie bei mündlichen Prüfungen auf Schwierigkeiten. Die Dolmetscher, die für Jarmer übersetzten, waren oft nervös und konnten Fachbegriffe sowie Gebärden nicht richtig übersetzen. „Ich musste aufpassen, dass mich der Prüfer richtig verstand. Oft musste ich eingreifen und den Professor schriftlich aufklären.“

Beruflicher Werdegang

Helene Jarmer absolvierte ein Studium zur Sonder- und Heilpädagogin und wurde die erste gezielt eingesetzte gehörlose Lehrerin an einer österreichischen Gehörlosenschule. Zwischen 1999 und 2010 hatte sie Lehraufträge an der Universität Wien inne und ist seit 2005 Leiterin des „ServiceCenter ÖGS.barrierefrei“, einer Initiative zur barrierefreien Gestaltung öffentlicher Webangebote.

Der Weg in die Politik

Helene Jarmer begann ihre politische Karriere als Mitglied der Grünen Partei Österreichs. Nach dem Wechsel von Ulrike Lunacek ins Europäische Parlament am 14. Juli 2009 übernahm Helene Jarmer ihre Position im österreichischen Nationalrat. Obwohl Jarmer bereits vor der Nationalratswahl 2008 als künftige Behindertensprecherin vorgesehen war, gelang ihr aufgrund des mäßigen Abschneidens der Grünen der Einzug ins Parlament nicht. Bei den Nationalratswahlen im Jahr 1999 kandidierte sie erfolglos für das Liberale Forum. Der ehemalige liberale Abgeordnete zum Landtag und Gemeinderat der Stadt Wien, Marco Smoliner, unterstützte die Nationalratskandidatur der gehörlosen Sonder- und Heilpädagogin. Am 10. Juli 2009 wurde Jarmer als erste gehörlose Abgeordnete zum Nationalrat angelobt. Ihr Einzug ins Parlament führte dazu, dass seitdem alle ORF-Fernsehübertragungen aus dem Parlament auch in Gebärdensprache (über den Satellitensender ORF 2 Europe) angeboten werden.

Ein Vermächtnis der Veränderung

Helene Jarmers politische Karriere war geprägt von unermüdlichem Einsatz und Entschlossenheit, Barrieren abzubauen und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Sie setzte sich für die Förderung der Gebärdensprache in Bildungseinrichtungen ein, kämpfte für barrierefreie Kommunikation in allen Bereichen des Lebens und arbeitete an Gesetzen und Richtlinien, die die Rechte von Menschen mit Behinderungen schützen.

Auch nach dem Ende ihrer politischen Karriere bleibt Helene Jarmer eine inspirierende Figur, die als Vorbild für Gehörlose und Menschen mit Behinderungen auf der ganzen Welt dient. Ihr Vermächtnis erinnert uns daran, dass der Wille zur Veränderung und die Entschlossenheit, Hindernisse zu überwinden, die Kraft haben, die Welt zu einem besseren Ort für alle zu machen.

Fazit

Helene Jarmer hat bewiesen, dass Gehörlosigkeit kein Hindernis für eine erfolgreiche und bedeutungsvolle politische Karriere ist. Ihre Geschichte ist ein Beispiel dafür, wie Entschlossenheit, Engagement und Leidenschaft dazu beitragen können, Barrieren zu überwinden und eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen gleichberechtigt sind. Auch wir von PRO SURDIS setzen uns für eine inklusive und gerechte Gesellschaft ein, in der die Stimmen aller gehört werden sollen. Als Hörakustiker sind wir für jede Thematik im Bereich Hören für Sie da. Kontaktieren Sie uns und vereinbaren Sie noch heute einen kostenlosen Ersttermin.

*Die Zitate von Helene Jarmer sind aus der Quelle: https://kurier.at/politik/inland/helene-jarmer-die-praesidentin-des-oesterreichischen-gehoerlosenbundes-kaempft-um-die-rechte-gehoerloser-menschen/225.902.086

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